In ausrangierten Überseecontainern werden zunehmend Hotelgäste beherbergt. Schnell, günstig und nachhaltig lassen sich so Übernachtungsmöglichkeiten schaffen, die auch mit Komfort und Style überzeugen.
Von Stefanie Hütz
Anfang Mai eröffnete in Erkelenz das erste „Tin Inn“. Die Idee zu dem neuen Hotelkonzept hatten Ivan Mallinowski, Michael Haiser und Nico Sauerland, die in ländlichen Regionen und industriellen Ballungszentren regelmäßig Probleme hatten, Übernachtungsmöglichkeiten zu finden.
Die drei Männer führen das Unternehmen Containerwerk, das gebrauchte Seefrachtcontainer durch ein neuartiges patentiertes Dämmverfahren zu hochwertigen Raummodulen veredelt – ob für Studentenwohnheime, Tiny Houses, Bürogebäude oder eben Hotels. Nun schließen sie eine entdeckte Marktlückeselbst. 15 Container auf drei Etagen mit Platz für 20 Zimmer – so sind die Tin-Inn-Hotelprojekte konzipiert, die sich einfach skalieren lassen. Die Module werden inklusive vorgefertigter Bäder schlüsselfertig von Containerwerk im eigenen Betrieb ausgestattet.
Die automatisierten Produktionsabläufe sind hocheffizient. Der Transport erfolgt mittels Standardlogistik. Nach Anlieferung auf der Baustelle wird mit Lastenkränen in wenigen Tagen das bezugsfertige Gebäude geräuscharm errichtet. In einem Container auf dem Dach ist die Technik untergebracht. „Wir können ein Hotel um mehr als 40 Prozent günstiger realisieren als bei herkömmlicher Bauweise“, sagt Nico Sauerland. Und auch deutlich schneller. Im Juli startete in Montabaur Tin Inn Nummer zwei, am selben Ort soll schon in Kürze Nummer drei folgen. „Alle Verträge für Haus vier in Hückelhoven sind unterschrieben, weitere Standorte sind in Verhandlung und Konzeption“, so der Tin-Inn-CEO, der von großer kommunaler Nachfrage berichtet. Die Übernachtungspreise für Einzelzimmer starten bei 60 Euro, Doppelzimmer bei 80 Euro. „Wir freuen uns über eine extrem hohe Auslastungsquote und sind bisher mehr als zufrieden“, resümiert Nico Sauerland knapp zwei Monate nach der Premiere in Erkelenz.
„Wir können ein Hotel um mehr als 40 Prozent günstiger realisieren als bei herkömmlicher Bauweise.“
Nico Sauerland, Containerwerk
Bauweise mit nachhaltigen Argumenten
Tin Inn ist ein Hotel-as-a-Service-Konzept: Die Unternehmen Tin Inn beziehungsweise Containerwerk sind Eigentümer, Bauherr und Architekt. Den Betrieb wird die Tin Inn GmbH teils selbst übernehmen oder mit lokalen Franchisepartnern zusammenarbeiten.
Betreiberin des Standorts in Montabaur beispielsweise ist Natalie Mays, die seit 1996 das Hotel Schlemmer in der Innenstadt als geschäftsführende Gesellschafterin leitet. Mays hatte selbst die Idee zu einem Containerhotel und auch schon das passende Grundstück auf einem ehemaligen Kasernengelände erworben. „Wir hatten mit einer Architektin vorangeschrittene eigene Pläne entwickelt, kamen aber bei den Themen Brandschutz und Wärmedämmung nicht weiter. Beim Googeln entdeckte mein Mann das Unternehmen Containerwerk, das in den technischen Fragen eindeutig weiter war als wir“, so Mays. „Nach unserer Kontaktaufnahme waren wir schnell vom Tin-Inn-Konzept überzeugt.“
Teppiche aus Fischernetzen
So umfasst diese Destination ausnahmsweise zwei Tin-Inn-Gebäudekomplexe mit insgesamt 34 Schiffscontainern, die 41 Zimmer mit 61 Betten beherbergen. Hinzu kommt ein Frühstücksraum. „Bei uns können auch Gruppen Urlaub machen, denn in unserer Region ist der touristische Ansatz deutlich ausgeprägter“, so die Unternehmerin. Das Tin-Inn-Konzept ist von Nachhaltigkeit geprägt, zu der laut der Gründer die geringe Flächenversiegelung, der Einsatz gebrauchter Container anstatt konventioneller Bausubstanz, die Klimatisierung über Wärmepumpentechnik sowie die hohe Energieeffizienz beitragen. Jedes Zimmer wird individuell von Innenraumdesignern gestaltet, was es ermöglicht, Retourenbestände namhafter DesignmöbelHändler zu verwenden. Schnell nachwachsendes Bambusholz kommt ebenso zum Einsatz wie Teppiche aus alten Fischernetzen. Eben falls erwähnenswert: Die Guest Journey ist vollständig digital, eine Rezeption gibt es nicht.
Ausgeschlafen an der Autobahn
Roatel ist der Name eines weiteren Containerhotel-Start-ups – ein Kofferwort aus den Begriffen „Road“ und „Hotel“. Nachdem die EU gesetzlich geregelt hat, dass LKW-Fahrer ihre wöchentliche Ruhezeit nicht mehr ausschließlich in der Fahrerkabine verbringen dürfen, gründeten Ralf-Peter Kals, Martin Swart und Christian Theisen, die ihre Wurzeln in der Logistik haben, 2019 das Unternehmen.
Ihre „Roatels“ werden in Autobahnnähe auf Rastplätzen oder Autohöfen aufgestellt. Ein Container gliedert sich in vier jeweils gut sieben Quadratmeter große Einzelzimmer mit eigenem Eingang. Die Zimmer „mit günstigem Preis-Leistungs-Verhältnis“ sind schall- und wärmeisoliert und verfügen über ein elektrisches Klimagerät mit Heizung. Alles Nötige ist darin untergebracht: ein Bett, Sitzbank mit Tisch, TV, Garderobe, Dusche, Waschbecken und Toilette. Reservierung, Abrechnung, Check-in und -out erfolgen einfach elektronisch unter my.roatel.com. Für die tägliche Reinigung inklusive frischer Bettwäsche und Handtücher wird gesorgt.
„In nur einem Tag ist ein Container, den wir in unserem Werk in Niedersachsen ausbauen, aufgestellt und betriebsbereit“, sagt Christian Theisen, und: „Im Regelfall betreiben wir die Roatels selbst auf den Grundstücken unserer Standortpartner. Diese erhalten von uns eine Pachtzahlung. Optional ist aber auch der Kauf möglich, zudem bereiten wir gerade eine Franchise-Variante als Mischform vor.“ Bislang haben 15 Roatels an 13 Standorten eröffnet, bis Ende des Jahres sollen es deutschlandweit 35 sein. Bis zu 120.000 LKW parken derzeit nachts auf deutschen Autobahnen, das Potenzial ist also groß, zumal auch andere Reisende zur Zielgruppe hinzukommen.
Einfache Nachverdichtung
In Großstädten wiederum ist die Nachverdichtung ein zunehmend relevantes Thema. Das „The Niu Hide Berlin“ wurde 2019 als nach eigenen Angaben weltweit erstes modular errichtetes Hotel auf dem Parkhausdach eines Einkaufszentrums errichtet. „Solche zentralen urbanen, bisher ungenutzten Flächen bieten wertvollen Raum für Hotelkonzepte“, ist David Etmenan überzeugt, CEO und Owner von Betreiber Novum Hospitality.
Zwar kamen bei dem Projekt (Entwickler war MQ Real Estate) keine ausrangierten Schiffscontainer zum Einsatz, doch das Bauprinzip war ähnlich: „Das gesamte Hotel wurde in energieeffizienter Holz-Modulbauweise konzipiert und größtenteils im Werk von Markus Schober in Bayern vorgefertigt. Mit der Fokussierung auf die modulare Aufstockung von Bestandsgebäuden ist das Unternehmen ein echter Vorreiter“, erläutert Etmenan und ergänzt: „Wir haben nicht nur mit der Bauweise, sondern auch mit dem Flair, das damit einhergeht, sehr gute Erfahrungen gemacht und sind bereits in Planung für ein weiteres The-Niu-Hotelprojekt in Modulbauweise in Passau.“
Mit Containern/Modulen soll es künftig möglich sein, nachhaltig, schnell, planungssicher und flexibel zu bauen. „Theoretisch lassen sich neue Module hinzufügen oder auch bestehende rückstandslos zurückbauen und an einen anderen Standort umsiedeln“, sagt Nico Sauerland als CFO von Containerwerk, und: „Der architektonischen Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt. Auch Gemeinschaftsräume und öffentliche Bereiche können grundsätzlich gut mit Überseecontainern gestaltet werden.“